Die uralte traditionelle afrikanische Entspannungsmeditation
Die Kikuyu in Kenia sind, wie viele afrikanische Stämme, der Ansicht,
dass man den obersten Gott, Ngai, nicht unnötig mit den Sorgen und Wehwehchen
des Alltags belasten sollte. Schliesslich hat er genug damit zu tun,
vom heiligen Berg Kere-Nyaga aus, der am Rande des Rift Valleys liegt, der Wiege
der Menschheit, die Geschicke einer ganzen Welt zu leiten.
Darum behilft man sich zunächst einmal mit Hausmitteln, und, sollte das
nicht helfen, dann sucht man Hilfe bei den Ahnen, deren Seelen überall
gegenwärtig sind. Dabei dient oft ein Mganga als Mittler, ein Kräuterkundiger,
von westlicher Überheblichkeit auch gerne als Hexer bezeichnet,
obwohl diese Weisen übermitteltes Wissen besitzen, das aus
einer Zeit stammt, als in Europa die Gletscher der Eiszeiten
jede Besiedelung verhinderten.
Die Mganga kennen ein uraltes, aber schnell und sicher
wirkendes Verfahren zur Entspannung, das hilft, wieder
eins mit der Natur und den Ahnen zu werden.
Dazu bitten sie den Hilfesuchenden, sich flach auf
den Boden zu legen, die Augen zu schliessen und
so gleichmässig wie möglich zu atmen. Dabei berühren
sie die Bauchdecke jeweils beim Ausatmen mit einer
Flamingofeder. Der Flamingo gilt wegen seiner Fähigkeit,
auf einem Bein balancierend zu schlafen, als Symbol
der Ausgeglichenheit. In Kisuahili lautet sein Name "heroe",
mit einem stimmlosen "h". Der "Patient" soll das Ausatmen
durch Intonierien dieses stimmlosen "h" unterstützen,
und sich dabei auf die Bewegung des Zwerchfells und
der Bauchdecke konzentrieren und sich ihrer bewusst
werden.
Als nächstes lenkt der Mganga die Aufmerksamkeit auf
den Bauchraum. Dazu ruft er das Bild einer Topi-Antilope ("paa")
ins Bewusstsein und fordert den Liegenden auf, sich
vorzustellen, wie diese immer langsamer und ruhiger
wird, während sie durch den Bauch läuft. Zusätzlich
muss der Patient nun beim Einatmen den Laut "aa"
intonieren, beim Ausatmen weiterhin das "h".
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In einem weiteren Schritt gilt die Konzentration der
Halsregion. Der Ruhesuchende soll sich vorstellen,
wie die Luft durch die oberen Atemwege strömt,
dabei an einen Elefanten ("tembo") denken und beim
Atmen nun dessen Lautsymbol, das "e" mehr hauchen
als aussprechen. Der Mganga weist vielleicht auch
darauf hin, sich vorzustellen, wie sich das Tier mit
seinen grossen Ohren langsam Kühlung zufächelt.
Nach ein paar Atemzügen wird dann der Kopf Gegenstand der
Aufmerksamkeit. Wohl das beste Symbol hierfür ist
natürlich "simba", der Löwe, der intelligenteste der
grossen Räuber der Savannen. Der zugehörige
Laut ist das "i", das wie zuvor nur während des
Einatmens intoniert wird, beim Ausatmen jedoch
weiterhin immer das "h".
Der Ruhesuchende folgt nun dem Weg des Atems in den
Brustraum und soll sich dazu einen Büffel vorstellen, einen
"mbogo". Da das Kisuahili immer auf der vorletzten Silbe
betont, ist also diesmal das "o" der beim Einatmen zu
intonierende Laut.
Weiter geht es mit dem Magen und dem Unterbauch. Wegen
der Geschwindigkeit, mit der sich in diesem Bereich
drastische Änderungen ergeben können, ist hier das
schnellste Tier der Savanne, der Gepard ("duma") das
geeignete Symbol, und folgerichtig wird nun ein paar
Mal beim Einatmen das "u" intoniert.
Abschliessend erfragt der Mganga, welches der
Tiere dem Ratsuchenden am besten gefallen hat
und fordert ihn auf, dessen Laut noch ein paar
Mal beim Einatmen zu intonieren, während er
selbst das Ritual weiterhin mit der Flamingofeder
begleitet, welche die Bauchdecke des Ruhenden
bei jedem Ausatmen berührt. Dann soll dieser
sich unbedingt noch kräftig recken und strecken,
um die Tiere wieder zu vertreiben, bevor er
wieder aufstehen und entspannt seinen
Verrichtungen nachgehen kann.
Das Kupumua-Ritual ist so einfach, gleichzeitig aber auch
so zuverlässig in der Wirkung, dass es jederzeit
auch allein, ohne die Anwesenheit eines Mganga, durchgeführt
werden kann. Dann allerdings meist auch ohne die Unterstützung
durch die Ahnen, für deren Anrufung es jahrelanger Erfahrung
bedarf.
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