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Programmierer Tao

Das Tao des Programmierens

E r s t e s  B u c h

D i e  s t i l l e  L e e r e

Also sprach der Meisterprogrammierer:

"Wenn Du gelernt hast, den Fehler im Core Dump zu finden, wird es Zeit für Dich sein, zu gehen."

1.1

Seltsames formt sich, geboren aus der stillen Leere. Allein und reglos wartend, ist es zugleich ruhig und doch in steter Bewegung. Es ist die Quelle aller Programme. Ich weiss seinen Namen nicht, also werde ich es das Tao des Programmierens nennen.

Wenn das Tao gut ist, dann ist das Betriebssystem gut. Wenn das Betriebssystem gut ist, dann ist der Compiler gut. Wenn der Compiler gut ist, dann ist die Anwendung gut. Der Benutzer ist erfreut und die Welt ist in Einklang.

Das Tao des Programmierens fliesst in die Ferne und kehrt zurück mit den Winden des Morgens.

1.2

Das Tao gebar die Maschinensprache. Die Maschinensprache gebar den Assembler.

Der Assembler gebar den Compiler. Sie zeugten zehntausend Programmiersprachen.

Jede Programmiersprache hat ihren Zweck, wie bescheiden er auch sei. Jede Programmiersprache ist Ausdruck des Yin und Yang der Software. Jede Programmiersprache hat ihren Platz im Tao.

Aber programmiere niemals in COBOL, wenn es sich vermeiden lässt.

1.3

Am Anfang war das Tao. Das Tao gebar Raum und Zeit. Deshalb sind Raum und Zeit das Yin und das Yang des Programmierens.

Programmierern, die das Tao nicht verstehen, fehlt ständig die Zeit und der Raum für ihre Programme. Programmierer, die das Tao verstehen, haben immer genug Zeit und Raum, um ihre Ziele zu erreichen.

Wie könnte das anders sein?

1.4

Der weise Programmierer erfährt vom Tao und folgt ihm. Der durchschnittliche Programmierer erfährt vom Tao und sucht danach. Der närrische Programmierer erfährt vom Tao und lacht darüber.

Wenn es nicht um das Lachen ginge, gäbe es kein Tao.

Die höchsten Töne sind am schwierigsten zu hören. Voranzuschreiten ist ein Weg, sich zurückzuziehen. Grosses Talent zeigt sich spät im Leben. Auch ein perfektes Programm hat immer noch Bugs.

Z w e i t e s  B u c h

D i e  A l t e n  M e i s t e r

Also sprach der Meisterprogrammierer:

"Nach drei Tagen ohne zu Programmieren wird das Leben bedeutungslos."

2.1

Die alten Programmierer waren geheimnisvoll und weitdenkend. Wir können ihre Gedanken nicht erfassen, also ist alles, was wir tun können, ihre Erscheinung zu beschreiben.

Aufmerksam, wie ein Fuchs beim Überqueren eines Baches. Bereit, wie ein General auf dem Schlachtfeld. Nett, wie eine Gastgeberin ihre Gäste begrüsst. Einfach, wie unverzierte Holzblöcke. Undurchsichtig, wie dunkle Teiche in dunklen Höhlen.

Wer kann die Geheimnisse ihrer Herzen und Seelen beschreiben?

Die Antwort findet sich nur im Tao.

2.2

Grossmeister Turing träumte einst, eine Maschine zu sein. Als er erwachte, rief er aus: "Ich weiss nicht, ob ich Turing bin, der träumt, er sei eine Maschine, oder ob ich eine Maschine bin, die träumt, ich sei Turing!"

2.3

Ein Programmierer einer sehr grossen Computerfirma besuchte eine Software-Konferenz und kehrte zurück, um seinem Manager zu berichten. Er sagte: "Was sind das nur für Programmierer, die für die anderen Firmen arbeiten? Sie betragen sich schlecht und kümmern sich nicht um ihr Aussehen. Ihre Haare sind lang und ungekämmt und die Kleider alt und zerknittert. Sie verweigerten die Gastfreundschaft und störten meine Präsentation."

Der Manager seufzte und sagte: "Ich hätte Dich nie zu dieser Konferenz schicken sollen. Diese Programmierer leben jenseits der körperlichen Welt. Sie halten das Leben für absurd, für einen beiläufigen Zufall. Sie kommen und gehen ohne irgendwelche Grenzen anzuerkennen. Sie leben nur für ihre Programme, ohne jede Rücksicht. Warum sollten sie sich also für soziale Konventionen interessieren?

Sie leben im Tao."

2.4

Ein Novize fragte den Meister: "Da ist ein Programmierer, der nie Entwürfe macht, nichts dokumentiert oder testet. Dennoch halten ihn alle, die ihn kennen, für einen der besten Programmierer der Welt. Wie kommt das?"

Der Meister sprach: "Jener Programmierer meistert das Tao. Er steht jenseits des Bedürfnisses nach Entwürfen und Plänen. Es ärgert ihn nicht, wenn das System abstürzt, sondern er akzeptiert das Universum ganz unbesorgt so, wie es ist. Er steht jenseits des Bedürfnisses nach Dokumentation, denn es ist ihm inzwischen gleichgültig, ob ein Anderer seinen Code sieht oder nicht. Er steht jenseits des Bedürfnisses zu testen, denn seine Programme sind aus sich heraus perfekt, elegant und gelassen, ihr Zweck ist selbsterklärend. Wahrlich, er ist im Mysterium des Tao aufgegangen."

D r i t t e s  B u c h

D e s i g n

Also sprach der Meisterprogrammierer:

"Wenn das Programm getestet wird, ist es zu spät, das Konzept zu ändern."

3.1

Es war einmal ein Mann, der zu einer Computermesse ging. Jeden Tag erzählte er der Wache am Eingang: "Ich bin ein sehr guter Dieb und berühmt für meine Kunstfertigkeit im Ladendiebstahl. Sei gewarnt, denn diese Messe wird nicht ungeplündert davonkommen."

Diese Worte verstörten die Wache sehr, denn es gab drinnen Computerequipment im Wert von mehreren Millionen von Dollars. Also beobachtete sie den Mann sehr sorgfältig. Aber der Mann wanderte nur von Stand zu Stand und summte leise vor sich hin.

Als der Mann schliesslich gehen wollte, nahm in die Wache beiseite und durchsuchte seine Kleidung, aber es war nichts zu finden.

Am nächsten Tag kam der Mann wieder und schalt die Wache: "Gestern bin ich mit reicher Beute entkommen, und heute wird es sogar noch besser werden." Also bewachte ihn die Wache noch stärker, aber ergebnislos.

Am letzten Tag der Messe konnte die Wache ihre Neugier nicht mehr zügeln. "Herr Dieb, ich bin ganz verwirrt. Bitte erleuchtet mich. Was stehlt Ihr eigentlich?"

Der Mann lächelte.

"Ideen."

3.2

Es war einmal ein Meisterprogrammierer, der schrieb unstrukturierte Programme. Ein Novize, der ihm nacheifern wollte, fing ebenfalls an, unstrukturiert zu programmieren. Als der Novize den Meister bat, seine Fortschritte zu beurteilen, rügte der Meister ihn, weil er unstrukturierte Programme schrieb und sagte: "Was für den Meister angemessen ist, muss nicht für den Schüler angemessen sein. Du musst zunächst das Tao verstehen, bevor Du Strukturen transzendieren kannst."

3.3

Es war einmal ein Programmierer, der an den Hof des Kriegsherrn von Wu kam. Der Kriegsherr fragte den Programmierer: "Was ist einfacher zu designen: Ein Buchhaltungsprogramm oder ein Betriebssystem?"

"Ein Betriebssystem," erwiderte der Programmierer.

Dem Kriegsherrn entfuhr ein Laut des Unglaubens. "Aber ein Buchhaltungssystem ist doch trivial im Vergleich zur Komplexität eines Betriebssystems," sprach er.

"Nicht wirklich," sprach der Programmierer, "beim Design eines Buchhaltungspakets agiert der Programmierer als Vermittler zwischen Menschen, die viele verschiedene Wünsche haben: Wie das Programm arbeiten muss, wie die Berichte aussehen sollen und wie es den Steuergesetzen entsprechen muss. Im Gegensatz dazu wird ein Betriebssystem nicht von äusserlichen Dingen eingeschränkt. Beim Design eines Betriebssystems sucht der Programmierer nach der einfachsten Harmonie zwischen den Ideen und der Maschine. Deshalb ist ein Betriebssystem einfacher zu entwerfen."

Der Kriegsherr von Wu nickte, verneigte sich und lächelte. "Das ist alles gut und schön, aber was von den beiden ist einfacher zu debuggen?"

Der Programmierer gab keine Antwort.

3.4

Ein Manager kam zum Meisterprogrammierer und zeigt ihm das Pflichtenheft für ein neues Anwendungsprogramm. Der Manager fragte den Meister: "Wie lange wird es dauern, das Programm zu erstellen, wenn ich fünf Programmierer dafür abstelle?"

"Das braucht ein ganzes Jahr," erwiderte der Meister prompt.

"Aber wir brauchen dieses System sofort oder besser noch früher! Wie lange wird es dauern, wenn ich zehn Programmierer beauftrage?"

Der Meisterprogrammierer runzelte die Stirn. "In dem Fall wird es zwei Jahre dauern."

"Und wenn ich einhundert Programmierer nehme?"

Der Meister zuckte mit den Achseln. "Dann wird das Design niemals vollendet werden."

V i e r t e s  B u c h

C o d i n g

Also sprach der Meisterprogrammierer:

"Ein wohlgeschriebenes Programm ist sein eigenes Paradies. Ein schlechtgeschriebenes Programm ist seine eigene Hölle."

4.1

Ein Programm sollte leicht und beweglich sein, seine Unterprogramme aneinandergereiht wie eine Perlenschnur. Der Geist und die Absicht des Programms sollten jederzeit erkennbar sein. Es sollte weder ein Zuwenig noch ein Zuviel darin geben, weder unnötige Schleifen noch unbenutzte Variablen, weder Mangel an Strukturen noch überwältigende Unnachgiebigkeit.

Ein Programm sollte dem 'Gesetz des geringsten Erstaunens' folgen. Was ist das für ein Gesetz? Es geht einfach darum, dass das Programm jederzeit so reagieren soll, dass es den Anwender am wenigsten überrascht.

Ein Programm, egal wie komplex es auch sei, sollte sich wie eine Einheit verhalten. Das Programm sollte von der inneren Logik bestimmt werden und nicht von Äusserlichkeiten.

Wenn das Programm diese Anforderungen nicht erfüllt, wird es in einem Zustand der Unordnung und Verwirrung verharren. Der einzige Weg, das zu korrigieren, ist es, das Programm neu zu schreiben.

4.2

Ein Novize kam zum Meister und fragte: "Ich habe ein Programm geschrieben, das mal läuft und mal abstürzt. Ich habe alle Regeln des Programmierens befolgt, trotzdem bin ich völlig verwirrt. Was ist der Grund dafür?"

Der Meister antwortete: "Du bist verwirrt, weil Du das Tao nicht verstehst. Nur ein Narr erwartet vernünftiges Handeln von seinen Mitmenschen. Warum erwartest Du es dann von einer Maschine, die eben diese Menschen gebaut haben? Computer simulieren Determinismus, nur das Tao ist perfekt. Die Regeln des Programmierens sind vergänglich, nur das Tao ist ewig. Deshalb musst Du das Tao betrachten, bevor Du Erleuchtung erlangst."

"Aber wie werde ich wissen, wann ich Erleuchtung erlangt habe?" fragte der Novize.

"Dein Programm wird dann vernünftig laufen," sagte der Meister.

4.3

Ein Meister erklärte einem seiner Novizen die Natur des Tao. "Das Tao ist in jeder Software gegenwärtig, egal, wie unbedeutend sie auch sein mag."

"Ist das Tao auch in einem Taschenrechner?" fragte der Novize.

"Das ist es," war die Antwort.

"Ist das Tao in einem Videospiel?" fragte der Novize weiter.

"Es ist sogar in einem Videospiel," sagte der Meister.

"Und ist das Tao auch in Windows XP ?"

Der Meister hüstelte und veränderte leicht seine Haltung. "Damit ist die heutige Lektion beendet," sagte er.

4.4

Prinz Wangs Leibprogrammierer schrieb Software. Seine Finger tanzten auf der Tastatur. Das Programm wurde ohne jeden Fehler kompiliert und lief wie von einer sanften Brise getrieben.

"Ausgezeichnet!" rief der Prinz. "Deine Programmiertechnik ist ohne Makel!".

"Technik?" fragte der Programmierer und drehte sich vom Bildschirm fort. "Was ich mache, ist, dem Tao zu folgen, jenseits aller Techniken. Als ich anfing zu programmieren, sah ich das ganze Problem als eine grosse Masse vor mir. Nach drei Jahren sah ich diese Masse nicht mehr. Stattdessen benutzte ich Unterprogramme. Aber jetzt sehe ich nichts. Mein ganzes Selbst existiert in einer formlosen Leere. Meine Sinne sind untätig. Mein Geist, bereit, völlig planlos zu arbeiten, folgt seinem eigenen Instinkt. Kurz, meine Programme schreiben sich selbst. Sicher, manchmal gibt es schwierige Probleme. Ich sehe sie kommen, werde langsamer, beobachte ganz still. Dann ändere ich eine einzige Zeile Code und die Probleme lösen sich in Luft auf. Dann kompiliere ich das Programm. Ich sitze ruhig da und lasse mich von der Freude der Arbeit erfüllen. Dann schliesse ich die Augen für einen Moment und logge mich aus."

Prinz Wang sagte, "Ich wünschte, alle meine Programmierer wären genauso weise."

F ün f t e s  B u c h

W a r t u n g

Also sprach der Meisterprogrammierer:

"Mag ein Programm auch nur aus drei Zeilen Code bestehen, eines Tages muss es gepflegt werden."

5.1

Eine vielbenutzte Tür braucht kein Öl in den Angeln. Ein schnellfliessender Strom bleibt nicht stehen. Weder Schall noch Gedanken breiten sich im Vakuum aus. Software verdirbt, wenn sie nicht benutzt wird.

Das alles sind grosse Mysterien.

5.2

Ein Manager fragte einen Programmierer, wie lange es dauern würde, das Programm fertigzustellen, an dem er arbeitete. "Ich werde morgen fertig werden," sagte der Programmierer prompt.

"Das halte ich für unrealistisch," sagte der Manager. "Ehrlich, wie lange wird es dauern?"

Der Programmierer dachte einen Moment lang nach. "Da sind ein paar Features, die ich noch einbauen wollte. Das braucht mindestens noch zwei Wochen," sagte er schliesslich.

"Das ist immer noch ziemlich unwahrscheinlich," beharrte der Manager. "Na gut, dann sagen Sie mir wenigstens Bescheid, sobald Sie fertig sind."

Der Programmierer stimmte zu.

Einige Jahre später trat der Manager in den Ruhestand. Auf dem Wege zu seiner Abschiedsfeier entdeckte er den Programmierer schlafend an seinem Terminal. Er hatte die ganze Nacht durchprogrammiert.

5.3

Ein Novize wurde beauftragt, eine einfache Finanzbuchhaltung zu programmieren.

Der Novize arbeitete lange Zeit sehr hektisch, aber als sein Meister erschien und das Programm prüfte, entdeckte er, dass es einen Bildschirmeditor enthielt, eine Bibliothek von Grafikfunktionen, ein Interface für Aufgaben der Künstlichen Intelligenz, aber nicht die leiseste Erwähnung von Irgendetwas, das mit Buchhaltung zu tun hatte.

Als der Meister deswegen nachhakte, wurde der Novize ungehalten. "Seid nicht so ungeduldig, " sagte er. "Den Finanzkram pack ich ganz zum Schluss rein."

5.4

Vernachlässigt ein guter Bauer das Getreide, das er gesät hat?
Übersieht ein guter Lehrer den schwächsten seiner Schüler?
Lässt ein guter Vater auch nur ein einziges Kind hungern?
Weigert sich ein guter Programmierer, seinen Code zu warten?

S e c h s t e s  B u c h

M a n a g e m e n t

Also sprach der Meisterprogrammierer:

"Lasst der Programmierer viele sein und der Manager wenige. Dann sind alle produktiv."

6.1

Wenn die Manager endlose Meetings abhalten, fangen die Programmierer an, Spiele zu schreiben. Wenn die Buchhalter von Quartalszahlen sprechen, wird das Entwicklungsbudget wahrscheinlich gekürzt. Wenn die Chefwissenschaftler das Blaue vom Himmel reden, fangen die Wolken an, sich aufzutürmen.

Wahrlich, das ist nicht das Tao des Programmierens.

Wenn die Manager sich ihrer Aufgabe widmen, werden Spielprogramme ignoriert. Wenn die Buchhalter langfristige Pläne machen,werden Harmonie und Ordnung wiederhergestellt. Wenn die Chefwissenschaftler die anstehenden Probleme angehen, werden die Probleme schnell gelöst.

Wahrlich, das ist das Tao des Programmierens.

6.2

Warum sind Programmierer unproduktiv? Weil ihre Zeit in Meetings vergeudet wird.

Warum sind Programmierer renitent? Weil das Management sich zu sehr einmischt.

Warum kündigen Programmierer reihenweise? Weil sie ausgebrannt sind.

Die Arbeit unter einem schlechten Management nahm ihnen die Lust an der Arbeit.

6.3

Ein Manager sollte gefeuert werden, aber ein Programmierer, der unter ihm arbeitete, erfand ein neues Programm das sehr populär wurde und sich gut verkaufte. Infolgedessen behielt der Manager seinen Job.

Der Manager wolte dem Programmierer eine Prämie geben, aber der Programmierer wies das zurück und sagte: "Ich habe das Programm geschrieben, weil ich das Konzept interessant fand, deshalb erwarte ich keine Belohnung."

Als der Manager das hörte, meinte er: "Obwohl dieser Programmierer nur in einer untergeordneten Position arbeitet, versteht er die Pflichten eines ordentlichen Angestellten sehr gut. Wir sollten ihn befördern und ihm eine gehobene Stelle als Management-Consultant geben."

Aber als man dies dem Programmierer erzählte, weigerte sich dieser aufs Neue und sagte: "Ich existiere, um zu programmieren. Wenn ich befördert werden würde, würde ich nichts anderes tun, als aller Leute Zeit zu verschwenden. Kann ich jetzt bitte gehen? Ich arbeite gerade an einem Programm."

6.4

Ein Manager kam zu seinen Programmierern und sprach zu ihnen: "Was Eure Arbeitszeiten angeht, so wird ab jetzt erwartet, dass Ihr morgens um Neun erscheint und nachmittags um Fünf wieder geht." Da wurden die Programmer wütend und einige kündigten auf der Stelle.

Also sprach der Manager: "Na schön, in dem Fall dürft Ihr Eure Arbeitszeit selbst bestimmen, sofern alle Projekte fristgerecht fertig werden." Nun waren es die Programmierer zufrieden und begannen, gegen Mittag ins Büro zu kommen und bis zur Morgendämmerung durchzuarbeiten.

S i e b t e s  B u c h

F i r m e n w e i s h e i t

Also sprach der Meisterprogrammierer:

"Du kannst einem Vorgesetzten ein Programm vorführen, aber Du kannst ihn nicht computerkundig machen."

7.1

Ein Novize fragte den Meister: "Im Osten gibt es eine grosse Baumstruktur, welche die Menschen 'die Firmenzentrale' nennen. Diese ist vor lauter Vizepräsidenten und Buchhaltern völlig aus den Fugen geraten. Sie überschütten alle mit einer Unzahl von Memos, die sagen, 'tue dies', 'tue jenes' und niemand weiss, was gemeint ist. Jedes Jahr gibt man den Zweigen neue Namen, aber all dies fruchtet nichts. Wie kann eine dermassen widernatürliche Einheit existieren?"

Der Meister antwortete: "Du nimmst diese immense Struktur wahr und störst Dich daran, dass sie keinen rational erfassbaren Zweck hat. Kannst Du denn keine Freude aus ihren endlosen Drehungen und Windungen gewinnen? Geniesst Du nicht die ungetrübte Leichtigkeit des Programmierens unter dem Schutz ihrer Äste? Was kümmert Dich ihre Nutzlosigkeit?"

7.2

Ostwärts gibt es einen Hai, der grösser ist als jeder andere Fisch. Er verwandelt sich in einen Vogel, dessen Schwingen sind wie die Wolken, die den Himmel erfüllen. Wenn dieser Vogel über das Land fliegt, bringt er eine Botschaft von der Firmenzentrale. Diese Botschaft lässt er inmitten der Programmierer fallen, wie eine Möwe ihre Notdurft über dem Strand verrichtet. Dann erhebt sich der Vogel mit den Winden und kehrt heim, den blauen Himmel in seinem Rücken.

Der Novize starrt verwundert auf diesen Vogel, denn er versteht es nicht. Der durchschnittliche Programmierer fürchtet die Ankunft des Vogels, denn er hat Angst vor der Botschaft. Der Meisterprogrammierer arbeitet einfach an seinem Terminal weiter, denn er hat nicht bemerkt, dass der Vogel erschienen und wieder verschwunden ist.

7.3

Der Magier des Elfenbeinturms brachte seine neueste Erfindung zum Meisterprogrammierer, dass dieser sie begutachte. Der Magier schaffte eine grosse schwarze Kiste in das Büro des Meisters, während dieser schweigend wartete.

"Dies ist eine integrierte Mehrzweckworkstation für verteiltes Rechnen," begann der Magier. "sie ist ergonomisch konstruiert, verfügt über ein proprietäres Betriebssystem, Programmiersprachen der sechsten Generation und eine ganze Reihe modernster Benutzeroberflächen. Meine Assistenten benötigten für das Design mehrere hundert Mannjahre. Ist das nicht aufregend?"

Der Meister hob eine seiner Augenbrauen kaum merklich. "Faszinierend, in der Tat," sagte er.

Der Magier fuhr fort: "Die Zentrale hat angeordnet, dass ab sofort jeder diese Workstation als Plattform für seine Programme benutzt. Stimmt Ihr dem zu?"

"Sicher," antwortete der Meister. "Ich lasse sie sofort ins Rechenzentrum schaffen." Und der Magier kehrte zufrieden in seinen Elfenbeinturm zurück.

Einige Tage später begab sich ein Novize in das Büro des Meisters und fragte: "Ich kann das Listing meines neuen Programmes nirgendwo finden. Wisst Ihr vielleicht, wo es sein könnte?"

"Gewiss," entgegnete der Meister. "Die Listings werden jetzt auf der Plattform im Rechenzentrum gestapelt."

7.4

Der Meisterprogrammierer schreitet furchtlos von Programm zu Programm. Kein Wechsel im Management kann ihm schaden. Er wird niemals gefeuert, selbst wenn das Projekt aufgegeben wird. Wie kommt dies? Er ist erfüllt vom Tao.

A c h t e s  B u c h

H a r d w a r e  u n d  S o f t w a r e

Also sprach der Meisterprogrammierer:

"Ohne den Wind bewegt sich kein Grashalm. Ohne Software ist Hardware nutzlos."

8.1

Ein Novize fragte den Meister: "Ich sehe, dass eine Computerfirma viel grösser ist, als alle anderen. Sie erhebt sich über den Wettbewerb wie ein Riese unter Zwergen. Jede einzelne ihrer Abteilungen könnte ein eigener Konzern sein. Warum ist das so?"

Der Meister antwortete: "Was stellst Du solch dumme Fragen? Diese Firma ist gross, weil sie gross ist. Wenn sie nur Hardware bauen würden, würde sie niemand kaufen. Wenn sie nur Software machen würden, würde sie niemand benutzen. Wenn sie nur Systeme warten würden, behandelte man sie wie einen Diener. Weil sie aber alle diese Dinge zusammen tun, halten die Menschen sie für Götter! Indem sie untereinander nicht eifern, erobern sie den Markt ohne Anstrengung."

8.2

Ein Meisterprogrammierer begegnete eines Tages einem Novizen. Er bemerkte, dass dieser von einem Handheld-Computerspiel völlig vereinnahmt wurde. "Entschuldige," sagte er. "Darf ich das mal betrachten?"

Der Novize nahm die gebotene Haltung an und reichte dem Meister das Gerät. "Ich sehe, dass dieses Ding vorgibt, drei Level zu haben: Leicht, Mittel und Schwierig," sagte der Meister. "Aber jedes dieser Geräte hat noch einen weiteren Status, wo das Ding nicht versucht, den Menschen zu beherrschen, oder von diesem beherrscht zu werden."

"Erleuchtet mich, Grossmeister," flehte der Novize. "Wie findet man dieses geheimnisvolle Level?"

Der Meister liess das Gerät zu Boden fallen und zerstampfte es mit dem Fuss. Und plötzlich fand der Novize Erleuchtung.

8.3

Es war einmal ein Programmierer, der arbeitete mit Mikroprozessoren. "Schau nur, wie gut ich es hier habe," sagte er zu einem Mainframe-Programmierer, der auf Besuch kam. "Ich habe mein eigenes Betriebssystem und meinen eigenen Massenspeicher. Ich muss meine Ressourcen mit niemandem teilen. Die Software ist konsistent und anwenderfreundlich. Warum gibst Du nicht Deinen Job auf und arbeitest hier mit mir zusammen?"

Der Mainframe-Programmierer hub an, seinem Freund sein System zu beschreiben und sagte: "Der Mainframe sitzt da mitten im Rechenzentrum, wie einer der Alten Weisen meditiert haben mag. Seine Plattenlaufwerke sind aneinandergereiht wie ein grosser Ozean voller Maschinerie. Die Software hat mehr Facetten als ein Diamant und ist verschlungen wie ein urzeitlicher Dschungel. Die Programme, jedes in sich einzigartig, bewegen sich durch das System wie ein munterer Bach. Darum bin ich glücklich, da wo ich bin."

Als der Mikrocomputerprogrammierer dies hörte, verfiel er in Schweigen. Aber die beiden Programmierer blieben Freunde bis an das Ende ihrer Tage.

8.4

Hardware und Software begegneten sich einst auf dem Wege nach Chang Tse. Software sagte: "Du bist das Yin und ich bin das Yang. Wenn wir zusammen reisen, werden wir berühmt werden und enorme Mengen Geld verdienen." Also folgten sie dem Weg gemeinsam und glaubten, sie könnten die Welt erobern.

Aber bald trafen sie Firmware, die verschlissene Gewänder trug und den Weg auf einen Dornenstock gestützt entlanghumpelte. Firmware sagte zu ihnen: "Das Tao liegt jenseits von Yin und Yang. Es schweigt und ist ruhiger als ein Wasserteich. Es strebt nicht nach Ruhm, deshalb bemerkt niemand seine Gegenwart. Es strebt nicht nach Glück, denn es ruht vollständig in sich selbst. Es ist jenseits von Raum und Zeit."

Da kehrten Hardware und Software beschämt in ihre Heime zurück.

N e u n t e s  B u c h

E p i l o g

Also sprach der Meisterprogrammierer:

"Es ist Zeit für Dich, zu gehen."

Freie Übersetzung eines Textes, der in den 80ern des vergangenen Jahrhunderts durch die Mailboxsysteme geisterte. Da es verschiedene Versionen gab, ist die genaue Quelle und das genaue Alter nicht mehr zu bestimmen, aller Wahrscheinlichkeit nach gebührt die Ehre der Urheberschaft des Originals aber vermutlich Geoffrey James, wer immer das sein mag.

 
 


 
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